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Befehl ist Befehl

Frühmorgens schon durch Transparenzen
diktiert die Sonne: „Heute schwänzen!“

Zur Pausenzeit um zehn Uhr dann
herrscht sie: „Heut sind mal andre dran!“

Am Mittag, die Kantine platzt,
bestimmt sie: „Es wird durchgeratzt!“

Wenn nachmittags Fabriken schließen,
gebietet sie den Träumen: „sprießen!“

Erst kurz vor Abend, blaue Stunde,
legt einen Finger in die Wunde

mein Alter Ego mit Radau
und heißt mich eine faule Sau.

Ich schrecke hoch. Gelobe schon
mir Bess’rung … da, grad vom Balkon

befiehlt durch letzte Transparenzen
die Sonne: „Morgen wieder schwänzen!“

Vom Schreibanlaß

Das ist natürlich noch kein Anlaß für eine Geschichte, dass man nach schwerster Trinkerei in einem Hotel davon geträumt hat, man sei nachts aufgestanden, aus dem Zimmer getreten und sodann vollkommen verloren gewesen, weil hinter einem die Zimmertür ins Schloß gefallen sei und man auch schon gar nicht mehr gewußt habe, welche Tür die richtige sein möge, und also einfach auf Verdacht mal an vielen verschiedenen Türen erfolglos geklopft habe; dabei mußte man doch so dringend mal pinkeln und habe das dann kurzerhand auf dem Hoteldach erledigt, dabei mit einer Hand die Notausgangstür offen haltend, während man barfuß auf nassem Kies sich erleichtert und alsdann den Entschluß gefaßt habe, trotz aller Scham jetzt zum Nachtportier zu schleichen, um eine Ersatzschlüsselkarte zu erbitten; sich also traumwandlerisch mit dem Aufzug nach unten begeben habe, direkt gegenüber der Rezeption jedoch aus lauter Panik im offenen Aufzug stehen geblieben und zur Beruhigung erst mal wieder nach oben gefahren sei, um schließlich festzustellen, dass es wohl doch keinen anderen Ausweg gebe, und man also kurz nach dieser ersten Erscheinung ein zweites Mal vor dem Nachtportier gestanden sei, der nach knapper Erklärung ohne Probleme eine neue Schlüsselkarte ausgestellt habe. Natürlich ist das auch dann noch kein Anlaß für eine Geschichte, wenn man kopfschwer aufschreckend im Hotelbett erwacht und die Bilder dieses Traums noch sehr real vor Augen hat. Ein Schreibanlaß ergibt sich allerdings zweifellos, wenn man nach langem Duschen und Herumstolpern sowie dem Zusammenklauben von Kleidung, Necessaire, Taschen und allerlei Dingen beim Verlassen des Zimmers zur Kenntnis nehmen muß, dass auf dem kleinen Schreibtisch neben der Schlüsselkarte noch eine Ersatzschlüsselkarte liegt.

Dschihadismus für alle!

Wenn deine Hobbys Stricken sind,
das Rammlerzüchten, Tangotanz,
Rassismus, Swingen, Markus Lanz –
stets ist dir jemand gleichgesinnt.

Du findest Freunde auch beim Schach,
bei Esoterik, Karneval.
Mit Taschenbillard, Volleyball,
hast du Kumpane tausendfach.

SM und Fußball, Futurismus –
gleich gibt es wen, dem das gefällt.
Doch find mal einen auf der Welt,
der meinen Sport mag: Dschihadismus!

Da gibt es keinen Spielbetrieb.
Das lehrt man dich nicht im Verein.
Als Dschihadist bist du allein,
da hat dich keiner wirklich lieb.

Da jubelt niemand nach dem Tor.
Da hast du keine Spielerfrau.
Du kommst zwar in der „Tagesschau“,
doch irgendwie dir einsam vor.

Gesellschaft, sag: Ist das gerecht?
Wie kann ich meiner Leidenschaft
da frönen voller Wirkungskraft?
Warum machst du mein Hobby schlecht?

Du sagst, ich mach bloß Leute tot,
und dass du meine Haft verlangst.
Komm, lass uns die Berührungsangst
verlieren. Hier mein Angebot:

Ich biete dir zum Ersteinstieg
gemütliches Beisammensein
und lad für Samstag alle ein
zur Schnupperstunde Glaubenskrieg

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Wer glotzt da aus dem Tintenfass
und lehnt verklemmt blöd an der Wand?
Wer hat gut sichtbar keinen Spaß
und schönblickt sich um den Verstand?

Wer wohnt auf alten Schützenscheiben
und hat das Wämslein straff gebunden?
Wer sagt: „Soll alles schön so bleiben!“
und hat knapp nicht den Witz erfunden?

Wer wuschelt Haare, rötet Wangen
und kommt uns alle Jahre wieder?
Wer bleibt tief in sich selbst gefangen
und greift sich unterm Bild ans Mieder?

Wer wird nie auf- noch abgehangen?
Die zwei: Herr Meier und Herr Bieder!

(das zugehörige Bild findet man hier)

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Aufbruch der Muse

Ich will mich jetzt nicht mehr verschließen
Und weiter hinter Büschen leben
Ich mag nicht sinnlos hier zerfließen
Wo an den Masten Räder kleben

Nicht länger Mauerkind am Fenster
Nicht länger unter Sackgesichtern
Nicht länger Eigenheim, Gespenster
Mich zieht’s zu schönen, starken Dichtern

Den Eltern sagte ich lebwohl
Statt Blödheit soll mich Geist erfreu’n
Für immer hier? Es hackt ja wohl!
Da kommt der Bus, schon kurz vor Neun …

(das zugehörige Bild findet man hier)