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Zwei Herren

Zwei Herren sitzen auf der Bank,
schön ins Gespräch vertieft.
Dieser gelockt, jener ganz blank,
sind beide – und das ist verbrieft –

Experten für die große Sause,
für grüne Hemden, Künstlerschal.
Für alles, was ein Kunstbanause
doof findet, blöde und banal.

Den beiden ist, sowohl dem kahlen
als auch dem lockigen, bewußt:
Willst du Dich bei den Künsten ahlen
dann merke Dir: Du mußt

erstens die Ausstellung besuchen,
zweitens dabei gut aussehn,
drittens etwas Sekt nachbuchen,
viertens was von Kunst verstehn.

Fünftens mußt Du eloquent
durch Sonnenbrillen schauen,
und dadurch quasi-prominent
Verzückung schaffen bei den Frauen.

Und nicht zuletzt: Es ist vollkommen
die Ausstellung, wenn ohne Zank
Du im Gespräch bleibst, leicht benommen,
wie die zwei Herren auf der Bank.

Wiedergefundene Ausstellungs-Besprechung für den Professor

Lieber Fritz.

Die Ausstellung „ZeichnungSehen“ ist eine sehr schöne, sehr kleine und sehr unspektakuläre Ausstellung. Das Wallraff-Richartz-Museum stellte Material aus der eigenen graphischen Sammlung zusammen und zeigt in didaktisch klarer Art all die verschiedenen Aspekte von Zeichnung. Ich habe Dir auch ein Ausstellungs-Heftchen besorgt, obwohl Du eventuell nicht mal was Neues drin finden wirst. Andererseits: Selbst emeritierte Professoren wissen nicht alles und verschusseln ja sehr wahrscheinlich auch wieder die Hälfte. Viel Spaß also damit. Wenn Du in Köln sein solltest: Es lohnt.Jedenfalls war es eine gute Lehrstunde, in dieser Ausstellung herum zu stöbern und mal ein paar Zeichnungs-Weisheiten festzustellen:

Zunächst, mein lieber Herr Gesangsverein, eine Frage: Liege ich so falsch, wenn  ich einige frühe Figuren Deiner Hand zu so manchem Blatt von Tiepolo aber auch Raffael gesellen will? Sowohl die Linien als auch das Laviergebrumme laufen doch recht ähnlich locker. Wie uns die Alten sungen …

Bei einer Skizze zum „Dejeuner“ sieht man: Der Cezanne konnte es mit Bleistift schon gleich gar nicht. Gut, daß man ihm dann doch noch Farbe und Leinwand gab.

Wie ich’s von all den Guten und Gerechten kenne: Paul Werner rutscht im Studienbuch beim sitzenden Frauenakt harmlos scheints von der rechten auf die linke Seite. Aber nur mit eineinhalb Zehen, quasi bloß dem großen Onkel. Mensch, wird ihn das geärgert haben, denn hier wäre Kraft und Deutlichkeit besser gewesen. Also: Richtig drüber, Paul, oder bleiben lassen! Setzen!

Beim Munch möcht man schrei‘n vor lauter Unheimlichkeit, die er einem Grafen von Schwerin 1894 schon ins Fresslein kohlt, teils wischt.

Pieter Jansz Quast zittert sich am „Kopf eines Mannes“ erst am zucchinihaften Kinn entlang und wiederholt das Rötel-Tattern dann am Mützlein – einzig um eine Figur zu schaffen, die den Festus Haggen aus „Rauchende Colts“ um mehr als 300 Jahre vorwegnimmt.

Die „Vier neapolitanischen Sänger“ von Johann König sollten allesamt mal schnell zum Zahnarzt. Obwohl sie exakt so verdrießlich katzenjammern als kämen sie grad vom Babier – und er hat es sicher nicht gut mit ihnen gemeint, den armen Kartoffelköpfen.

Aber der Menzel! Mein Lieber!

Hurra „Blücher“! Hurra „Handstudie mit Buch“!

Hans Holtzmayr. Von dem man nur zu wissen scheint, daß er 1591 – 1602 in Deutschland tätig war. Aber seine Anbetung der Könige: Hübsch flotte Linien, schnell und dabei wesentlich bleibend. Leicht gehöht die Lichter, die ein wie besoffen hingezackelter Stern von oben links deckweißtechnisch ins Bild zwackelt. Hinten ein Kamel mit einem Kamelhals als Gottesbeweis für die Existenz des Monsters von Loch Ness. Und überkleben tut er auch noch, der Hans.

Mein Lieblingstitel: Susanna und die beiden Alten. Vom Henscheid könnt’s stammen, meint aber ein Blatt aus dem 17. Jhd., dessen unbekannt bleiben wollender Autor allen Grund dazu hat: Weiß er doch scheint‘s nicht, daß man zur späteren Übertragung hingehuschte Quadrierungen besser im rechten Winkel und mit gleichmäßigen Seitenlängen macht. Na, die Nacharbeit möcht ich sehn …

Leibl. Schattiert bis nix mehr da ist. In den Skizzen zu einer „Tischgesellschaft“. Aber wenn er’s dann malt, als Entwurf in Öl – ja sackzement! – aus der Ferne: Wie ein falschrum aufgehängtes, unbunt-spätes Turner-Gewuschel. Und beim Hinsehn dann: Aufs Feinste erscheinen und verschwinden hier Gesichter und Figuren zwischen Malgrund und der sanften Farbe. A lady vanishes in Öl auf Leinwand. Jedoch: Ein Cello scheint auch ihm höchst proble­matisch nur erfassbar.

Eine Apostelgruppe aus Italien wurde schon im 17 Jhd. erst gezeichnet und dann schleunigst wieder durchgekreuzt. Wohl getan! Denn hier tat man den Aposteln wahrlich keine Ehre: Die Bärte wachsen ineinander, ein Kopf entsteht im Haarbusch des Kollegen und eine Hand gar schwirrt sehr UFOesk übers barock matt bräunliche Papier.

Und auch die Kollwitzkäthe schmeißt was weg. Negierts mit langen dünnen Strichen. Bravo.

Ja, so viel Spaß kann mir eine Ausstellung machen. Nimms also als Anregung, wenn Du mal in der Gegend bist.

Liebe Grüße

Nana

Wie ich in die Corinth-Ausstellung gehe, beinahe mitgenommen werde gottseidank und durch die weite Halle springt eine Frau aus dem Bilderrahmen heraus in diesem wundersam klaren Licht und sie leuchtet mich an und sie kommt mir entgegen, eine Diagonale auf der Leinwand und ihre nackten Brüste sind Deine Brüste und du heißt Nana und bist 1911 gemalt.