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Mein Präsident!

Er hat den schönsten Zauselbart,
ist innen weich und außen zart.
Sein Duft ist frisch wie Schäfchenwiese,
sein Atem sanft wie Frühlingsbrise.

Es ist mit allen heil’gen Wassern
gewaschen der Rohani Hassan.
Der Turban-King von Teheran
gilt vielen schon als Neuer Mann.

Er ist in Ajatollahland
als Sanftmut in Person bekannt.
Und jeder Jude kriegt den Blues,
schickt Hassan ihm den Neujahrsgruß.

Als Kind schon wollte er nie balgen,
schnitt Schwesters Barbie ab vom Galgen.
Und schläferte nur unter Weinen
den Nachbarshund ein, mit zwölf Steinen.

Wenn Damen ihn im Raume wähnen,
dann schießen ihnen Freudentränen.
Er kann den längsten Zungenkuss
und steht für Omas auf im Bus.

Er amnestiert die ärgsten Krittel,
und trägt Iranens schönste Kittel.
Verbraucht privat nur Ökostrom
und hasst persönlich das Atom.

Wie wär’s – hier wird doch grad verhandelt
und sowieso das Land verwandelt –
vielleicht, dass man ihn tauschen kann,
den zuckersüßen Muselmann?

Das fänd ich gar nicht so verkehrt.
Der wär mir glatt den Hoeneß wert,
oder die Hannelore Kraft.
Es wär viel Gutes auch geschafft,

wenn man im Tausch die CSU
weggäben tät. Dann wäre Ruh.
Mit Hassan würde Deutschland zart,
statt Gottes- Heinzelmännchenstaat.

Der Gott der Carnivoren

Gott steht an im Metzgerladen,
reibt sich lächelnd seine Hände,
inspiziert die Wurstbestände,
schaut auf Metzgerfrauen-Waden.

Soll er heute Blutwurst wählen,
Schnitzel und ein Viertel Zunge?
Oder von der sauren Lunge?
Wird er Kalorien zählen?

Schwein derweil im Metzgerwagen
hat so gänzlich andre Sorgen.
Ruckelt durch den frühen Morgen,
tut sich letzte Fragen fragen.

Metzgerfrau sagt: »Das kann dauern,
wenn sie wieder Schweineschwarten
wollen.« Gott spricht: »Ich kann warten.«
und er lächelt sans Bedauern.

Er hat Zeit und Schwein hat keine.
Gott, ganz lässig, freut sich schon.
Koteletts sind ihm Gotteslohn,
schön sind Metzgerinnenbeine.

Nichts muss schnell gehn oder flott.
Er scheint ganz Geduld zu sein.
Weiß er doch, ein jedes Schwein
findet seinen Weg zu Gott.

Stunden später oder so,
tritt er pfeifend auf die Straße,
schwer bepackt. In hohem Maße
lächelt Gott sehr fleischesfroh.

Taschen voll mit Schinkenwurst,
Schweineschnitzel und Tartar,
sieht er vorn in Rudi’s Bar
Mädchen, die ihm winken. Durst!

Genesis

Liegt ein Staub auf allen Dingen,
grünt ein Schmier allüberall.
Hör nur: Silberfischchen singen
schöner als die Nachtigall.

Altpapier wächst allerorten,
auf dem Spül liegt Ewger Schnee,
Krümel, Haare aller Sorten,
Spinneweb im Separée.

Wäscheberge stellen Fragen,
Scheiben starren matt und grau.
Zum Putzen, Wienern, Wohlbehagen
fehlt mir jeder Überbau.

Geb viel lieber mich den Lastern
hin, naiv und unverstellt.
Phlegma und auch Sehnsucht pflastern
meine Wege in die Welt.

Und so bleibt mir meine Erdung
auch in Chaos und Verfall:
Weiß doch, vor der Menschenwerdung
kommt der Haushalt-Sündenfall.

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Vom Auto-Spanner

Auto-Spanner blickt am Morgen,
um es recht sich zu besorgen,
schon hinunter auf die Wägen
tut die Formen sich einprägen.

Jede Rundung, alles Steile,
jede Fläche, alles Geile
dieser Blechmobilparaden
tut Erregung ihm aufladen.

Doch es macht der Herr Voyeur
einen Fehler folgenschwer:
Belebt von seinen Fantasien
tut er nicht den Vorhang ziehen.

Nun weiß also alle Welt,
was dem Spanner gut gefällt.
Und am nächsten Morgen schon
tut sie ihre Reaktion:

Wo sonst unter Parkscheinbarken
alle ihre Autos parken,
bleibt es öd und leer. Ein Schmerzen
tut dem Spanner weh im Herzen.

Denn er weiß: Jetzt muss er fliehen.
Tut zwei Straßen weiter ziehen.

(das zugehörige Bild gibt’s hier)

Aus gegebenem Anlass:Die Kurzfassung

Betreff:
Ihre unverlangte Manuskript-Einsendung vom 17.10.1833

Sehr geehrter Georg B.,
Sie schickten uns Ihr Exposé.

Also, was Sie da so schreiben –
lassen Sie es lieber bleiben!

Alles Mist! Vor allem jener
Kinderkram Leonce und Lena.

Ein Witz, und keiner von den besten:
das mit den Hütten und Palästen.

Ihre Woyzeck-Textcollage?
Hammerharte Vollblamage!

Und das Ding von Dantons Tod:
völlig kopflos, trocken Brot.

Nein, das alles ist ein Graus.
Spannen Sie mal tüchtig aus!

Sie sollten sich den Geist erfrischen.
Machen Sie doch was mit Fischen!

Jedenfalls: Für diesen Scheiß
gibt es nie den Büchnerpreis.

Leichten Schritts

Dass ich dich verlassen hab
Dass du mich verlassen hast
Kühlt an Sommertagen fast
Wie ein schattig stilles Grab

Dass ich einfach weiterleb
Dass du einfach weiterlebst
Ist der Dinggang, denn Du strebst
Nach Glück, an dem auch ich so kleb

Ich tu deutlich, was ich kann
Du tust alles noch dazu
Dass wir leicht sind, dann und wann

Wir gehn weiter, ich und Du
Tapfer lächelnd frisch voran
Leichten Schritts mit Blut im Schuh

Zum Mitsingen

(z.B. am 4. und 5. Oktober hier)

Ich war in Venedig:
Diese Stadt ist voll am Arsch.
Wunderschön und doch morbid und knapp vorm Untergang
klingt sie wie ein Trauermarsch.

Schlimmer noch ist Menden:
öd und leer und provinziell.
Was mich hält, ist nicht die Stadt, es sind die Menschen hier –
und vor allem Du speziell.

Wenn Du jemals gehst,
wenn Du jemals gehst,
wenn Du jemals gehst,
gehen hier die Lichter aus.

Innenstadt aus Pappe,
trostlos alles drumherum.
Todesatem schleicht durch Gassen, schließt Cafés. Und echt:
Was man hört und sieht, ist dumm.

Weiter hier zu leben
geht nur, wenn man nicht vergisst,
was im Zentrum steht, und wenn man sich erinnert,
was das Wichtigste hier ist.

Wenn Du jemals gehst,
wenn Du jemals gehst,
wenn Du jemals gehst:
Klappe zu und Affe tot.

(wunderbares Zwischenspiel von Hannes)

Wenn Du jemals gehst,
wenn Du jemals gehst,
wenn Du jemals gehst,
dann leg’ ich mich gehackt
in dieser toten Stadt.

(Musik von Billy Bragg)

Für ein hier nicht anwesendes Bild

In Giesing wächst das Gold an Wänden.
Sommers trägt man es auf Händen
heimwärts hin zu Frau und Kind,
wo die Goldreserven sind.

Ist dann einmal schlechtes Wetter,
wächst das Gold sogar noch fetter:
Regen, heißt die alte Regel,
dreifacht gleich den Goldstand-Pegel.

Friedlich sind in Giesing alle
schon um acht Uhr in der Falle.
Auto und Container nur
zeugen von der Menschen Spur.

Die hingegen sind im Schlummer,
hegen keinen großen Kummer,
haben das, was jeder wollt:
dickes, fettes Giesing-Gold.

(Das zugehörige Bild gibt’s hier.)

Klasse! Super! Toll! Und herrlich!

Klasse! Geht doch! Alles tutti!
Wo ist’s schöner als zuhaus?
Weiter wohnen wir bei Mutti,
bleiben hier mit Mann und Maus!

Super! Sie kocht deutsche Küche,
reichlich, fettig, heiß und gut!
Bügelt unsre Widerspüche,
dass die Welt uns bös nicht tut.

Toll! Sie wird mit ihrem Glanze
auch im nächsten Jahrgeviert
sorgen, dass das große Ganze
uns nicht weiter intressiert.

Herrlich! Diese beiden Sachen
sind, was uns Europa neidet:
ihr fast absolutes Lachen,
und dass hier das WIR entscheidet.

Jemand, der es gut mit mir meint

Ich schreib mir selber anonyme Briefe.
Stets Liebesbriefe. Zart und sanft wie Seide.
Das ist, weil unter Einsamkeit ich leide
und ohne solche Briefe schlechter schliefe.

Wenn ich sie öffne, geht mein Atem schneller.
Mein Herzschlag rast. Es ist fast wie Musik,
wenn ich das lese, was an Post ich krieg.
Der Tag ist wunderbar mir dann und heller.

Ja, kann schon sein, dass ich mich selbst damit betrüge.
Gut möglich, dass ich nur auf Tränendrüsen drück!
Vielleicht, dass es im großen Ganzen doch die Züge

verwirrter Eigenliebe hat – ein kleines Stück?!
Denn manchmal merk ich nicht, wie ich mich selbst belüge.
Dann schreib ich mir, wie von mir selbst entflammt, zurück.