»Warum ich Schriftsteller bin: Weil Schreiben noch eher gelingt als Leben, und weil für diesen Versuch, das Leben schreibend zu bestehen, der Feierabend nicht ausreicht.«
Max Frisch
»Warum ich Schriftsteller bin: Weil Schreiben noch eher gelingt als Leben, und weil für diesen Versuch, das Leben schreibend zu bestehen, der Feierabend nicht ausreicht.«
Max Frisch
Es geht vor der Heia und nach dem Gebet
noch einmal ins Wortwerk, zu sehn, was da geht.
Vor seeligem Schlummer, mit schläfriger Hand,
sortier ich nochmal: was war gut, amüsant?
Der Tag ist am Abend vertändelt, vertan.
Und doch – ich setze den Stift nochmal an:
Wenn alles getan ist, gespült und gewischt,
dann schreib ich mir abends ein letztes Gedischt.
Was kann man in Venedig dichten?
Den Reim vom Dogen, der viel trinkt.
Die Verse einer Stadt, die sinkt.
Das Lied vom Gondolier, der hinkt.
Das kann man in Venedig dichten!
Was soll man in Venedig dichten?
Tiraden auf das Aqua Alta.
Loblieder auf Palastgestalter,
und immer auch auf Onkel Walter.
Das soll man in Venedig dichten!
Was muss man in Venedig dichten?
Ein klein Libretto von San Marco.
Ein großes vom Hotel Ca Arco.
Und eins vom Flitterwochen-Quarko.
Das muss man in Venedig dichten!
Was soll man in hier jedoch beschweigen?
Lagunenwasser, hypertroph.
Die Kargheit in des Dogen Hof.
Die Kreuzfahrt-Touri-Katastroph.
Das soll man hier jedoch beschweigen!
Was glaubt man Dir im Wirtshaus nie?
Philosophie, Philosophie.
Wobei stellt jedes Weib auf stur?
Literatur, Literatur.
Was hasst sogar der Bolschewik?
Die Kernphysik, die Kernphysik.
Was aber liebt der Vietcong?
Den Countrysong, den Countrysong
Wer schaut schon gern bei Tisch dem Gegenüber auf die Schnute,
wie der dort kaut und speichelnd schmatzt, gar fürchterlich?
Wer will schon sehn, wie es vernichtet wird – das Leckre, Wahre, Gute?
Wer sowas gern betrachtet? Ich!
»Das Aussetzen der Eingebung fülle aus mit der sauberen Abschrift des Geleisteten. Die Intuition wird darüber erwachen.«
gefunden in
Uwe Johnson, Begleitumstände
edition suhrkamp3322