Brunnen, Zentralschweiz, 29.7.
20.00 Uhr
Die Wolken verkrümeln sich von den Berggipfeln. Es bleiben kleine abgerissene Fusel an den Spitzen hängen, die nach und nach sich auflösen. Zuckerwatte im Mund, ohne dass man was dazu tun muss. Akkordeonmusik vom Gartenrestaurant nebenan.
Windstille. Wenn ein abfahrendes Motorboot weit genug vom Ufer entfernt ist und beschleunigt, breitet sich der Schall ohne Mühe auf dem Wasser aus und wird allgegenwärtig, kriecht über den See, so wie jetzt die letzten Akkordeonklänge.
Die Gipfel tragen pastellfarbene Schneeflecken. Juli. Der mysteriöse Ewige Schnee aus dem Sachkunde-Unterricht. Die Berge sind hoch. Hinten, weit weg, am Ende des Sees mag man sie wirklich Alpen nennen und dann kommt schon der Gotthard und dann bald Italien.
Dunst. Nach und nach ziehen sich die Berge zurück. Wie Schnauzen großer Tiere verschwinden sie im blaurosa Nebel. Lichter an der Straße drüben am Hang. Ein Hotel hoch obern über dem See. Die paar Hütten auf den Rückenkuppen. Die entfernten Anlegestellen Tells-Platte und Rütli.
Hinter mir promenieren Stimmen, die ich nicht verstehe. Italiener, Franzosen, Amerikaner. Schweizer. Schlurfen, schlendern. Promenadenmischung. Alte Leute meist, jenseits der Sechzig. Der Fimmel donnert. Flugzeug.
Der See ist beinah vollkommen ruhig jetzt. Hinter der kleinen Mauer leichte Wellen, feine Rippen, Strukturen, kaum hörbar am Ufer. Weiter hinten wird das Wasser zu einer hellen Fläche, unterbrochen von dunklen waagerechten Streifen, die vom Ufer aus hineinragen. Muster, das es nicht gibt. Struktur aus Licht und Bewegung.
Zuggeräusche. Ein heller Wurm stiehlt sich in den Berg, dort wo für ihn ein Schlund gehauen wurde.