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Früher

Früher gab es Zeiten, Beckmann, wo die Zeitungsleser abends in Kapstadt unter ihren grünen Lampenschirmen tief aufseufzten, wenn sie lasen, daß in Alaska zwei Mädchen im Eis erfroren waren. Früher war es doch so, daß sie in Hamburg nicht einschlafen konnten, weil man in Boston ein Kind entführt hatte. Früher konnte es wohl vorkommen, daß sie in San Franzisko trauerten, wenn bei Paris ein Ballonfahrer abgestürzt war.

Wolfgang Borchert, Draußen vor der Tür,
Rowohlt 1990, Seite 38

Was Kunst nicht ist

In der aktuellen SPEX zitiert Joseph Kosuth im Interview den amerikanischen Maler Ad Reinhardt:

„Man kann nicht sagen, was Kunst ist, man kann nur sagen, was Kunst nicht ist.“

Auf Wikipedia steht’s noch etwas umfassender: mit einem differenzierten Versuch einer Annäherung über das Nicht-Kunst-sein:

„Das eine, was sich über Kunst sagen läßt, ist, daß sie eines ist. Kunst ist Kunst-als-Kunst, und alles andere ist alles andere. Kunst-als-Kunst ist nichts als Kunst. Kunst ist nicht, was nicht Kunst ist. Der eine Gegenstand von fünfzig Jahren abstrakter Kunst, ist Kunst-als Kunst vorzustellen, und als nichts anderes, aus ihr nur das eine zu machen, das sie ist, indem man sie mehr und mehr absondert und definiert, sie reiner und leerer macht, absoluter und ausschließlicher – nicht-gegenständlich, nicht-darstellend, nicht-figurativ, nicht-imagistisch, nicht-expressionistisch, nicht-subjektiv. Der einzige und eine Weg, zu sagen, was abstrakte Kunst ist, liegt darin zu sagen, was sie nicht ist.“

(Ad Reinhard: zitiert nach Ulrich Reißer/Norbert Wolf: Kunstepochen. Band 12: 20. Jahrhundert II. Reclam, Stuttgart 2003; S. 75f.)

http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Kosuth
http://de.wikipedia.org/wiki/Ad_Reinhardt

Eine Art Programm

Eine Viertelstunde alles runterklappern, was in deinem Kopf ist. Jeden Tag. Nur die eine Viertelstunde, nicht mehr und nicht weniger. Eine Art geistiger Hygiene, feucht durchwischen im Hirnkasten. Einfach alles hinschreiben.

Sprünge riskieren. Die sind ohnehin am besten und bringen einen weiter. Weeeeiter! Ein Sprung bringt Dich weiter als 10 Schritte, wußte schon Bob Beamon.

Zum Beispiel die Geschichte mit der Frau, die aus ihrer Ehe und ihrem Leben wegfährt, gar nicht weit, sondern quasi um die Ecke und die dort den Tankwart trifft, mit dem sie den Rest der Geschichte in der Küche sitzt und sich über das Leben und die gemachten Vorstellungen unterhält. Und darüber, was sie so denken, die beiden, und ohne jede große Entwicklung und Romanze machen sich beide einfach ein bißchen leer voreinander und es passiert nichts und mit wem kann man sowas schon machen?

Draußen fahren Autos, weil es ist ja Fußgängerzone. Bis 11 Uhr darf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, da durchfahren. Dann ist Pause und zwischen 18 und 19 Uhr geben dann alle nochmal Gas. Sonst ist der Tag irgendwie nicht richtig zuende gebracht.

Erst war es kühl und bedeckt, jetzt reißt alles auf, als wäre die Welt voll schlechter Luft und die Sonne kommt durch. Ich finde das nicht nur schön, denn diese jugendlich protzenden Sonnenstrahlen erinnern mich immer daran: Könntest auch mal wieder Fensterputzen, Alter. Gemach, gemach, mach ich. Aber erst wenn ich gespült habe und vorher muß ich noch die Wäsche aufhängen und alles. Also: erstmal in Ruhe diesen Satz hinschreiben.

Schon klar, Hans,

Du warst ein großer Sohn Deiner Stadt. Du hast Kunstgeschichte und Psychologie studiert. Du hast die wichtigste Sammlung mit Bildwerken von geisteskranken Menschen aufgebaut. Das war wirklich großartig! Aber dass Deine Stadt auf der Landesgartenschau grad den Irrgarten nach Dir benennen mußte, dass also nun im »Park der Sinne« der Hans-Prinzhorn-IRRgarten vor sich hin wächst – ich weiß nicht, ob Dir das wirklich gefallen hätte.

Du selbst: toller Hecht. Deine Stadt: vielleicht ein ganz bißchen zu forsch und irrgendwie irre.