Was musste ich da vor ein paar Wochen sehen: Drei kleine Sternsinger-Jungs mit goldnem Holzstern in Mama-Begleitung. Hallo?! Das hätt’s früher so nicht gegeben. Früher, da hat man uns zu dritt, gekleidet wie schwule Ballettänzer, allein ins Hardcore-Viertel geschickt, um bei wildfremden Menschen an der Tür zu schellen und Geld einzusammeln. Wir waren damals vollkommen auf uns allein gestellt, lediglich versehen mit Gottes Segen, sowie drei sehr, sehr kleinen Plastik-Miniaturgewehren, die uns der nette Herr Pastor zugesteckt hatte. Mehr bräuchten wir nicht, um uns gegen Angreifer zu schützen, hatte er gesagt. Immerhin seien wir bei unserem frommen Auftrag fest in Gottes Hand, hatte er gesagt. Und also so sicher wie in Abrahams Schoß, hatte er gesagt. Wir waren dann aber stattdessen bereits nach kurzer Zeit doch eher fest in der Hand der berüchtigten Huber-Brüder, und so sicher wie drei ängstliche Kaninchen beim Kaninchenschlachter.
Es dauerte dann geschlagene drei Wochen, bis mein blaues Auge nicht mehr zu sehen war. Das war nicht besonders schön, auch wenn ich bei den Mächen aus den höheren Klassen ein bisschen damit angeben konnte. Dabei war ich zum Sternsingen nur mitgegangen, weil ich aufgrund meiner Fähigkeiten unabdingbar war fürs Spendenabgreifen: Ich war der einzige von uns Knirpsen, der den Satz „Wir sammeln für ein brasilianisches Kinderrehablitationszentrum!“ einigermaßen fehlerfrei aufsagen konnte.
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Time
Wein besorgt. Zu laut die Leute
um mich rum und überall.
Ständig dieser Sprachdurchfall.
Bin des Wahnsinns fette Beute.
Dünne Luft und dicke Hose.
Augenkrebs von Schlimm und Bunt.
Schmerzhafter Synapsenschwund.
Fühle mich wie Herbstzeitlose.
Zeit, dass Frühling kommt und geht,
dass der Winter sich verpisst,
dass bald endlich Sommer ist.
Zeit, dass mich der Wind verweht.
Es kann was es kann
Hergehört jetzt, alle Mann!
Da beisst die Maus kein’ Faden ab:
Nur Liebe kann, was Liebe kann!
Alles andre: Papplapapp!
Das kann kein Alkohol, kein Rausch,
kein Yogasport, kein Ausdruckstanz.
Das kann nicht Sex, nicht Bärenflausch,
und nicht die Lust – nur Liebe kann’s!
Vor allem kann’s nicht der Friseur.
Der Maler kann’s nicht, sowieso.
Nicht Goldschmied und nicht Ingenieur.
Nicht mal der König Salomo!
Es kann die Liebe immer nur,
was Liebe kann. Habt ihr’s kapiert?
Merkt brav Euch diese Denkfigur.
Ist gar nicht furchtbar kompliziert:
Die Liebe nur kann dich erhöh’n,
kann leicht sein und so schwer wie Blei,
kann hässlich sein und wunderschön,
und schneller als du willst, vorbei.
Abend
Der Tag war heut nicht Fleisch, nicht Fisch.
Dann muss es jetzt wohl Heymann sein.
Und natürlich Löwenstein.
Nichts andres kommt mir auf den Tisch.
FÜR EIN HIER NICHT ANWESENDES BILD
Wenn ich mich durchs Schreiben beiß –
wenn ich alter Trauertrampel
sinnlos und mit viel Gehampel,
unter Tränen, Blut und Schweiß,
lediglich ein Wortgestrampel,
einen kreativen Scheiß,
aufs Papier zu bringen weiß –
brauch ich meine Muse: Pampel!
Was vom Kürzen übrigbleibt
Klar, Ihr seid die tollsten Stürmer.
Ihr müsst stets die Größten sein.
Erntet ständig Eure Würmer
aber sät nie einen ein.
Ihr hüpft daunengleich und locker
selbst bei minus dreizehn Grad.
Keine Böe schmeisst Euch vom Hocker.
Ihr seid winterwetterhart.
Amsel, Drossel, Fink, Katarrh
Ich hier drinnen. Ihr da draußen.
Seid Ihr nicht in Afrika?
Sitzt Ihr jetzt nicht bei den Straußen?
Wieso seid Ihr wieder da?
Lässig lungern Drossel, Amsel,
Fink und Star im kalten Schnee,
Schnabel voller Wurmgebamsel,
grinsen seltsam. Das tut weh.
Ich erkältet, schlotterhosig
dampfend nach Erkältungsbad.
Ihr putzmunter, frisch und rosig
hopsend, trippelnd, im Ornat.
Meine Nase rotzekrustig,
Eure Freude widerlich.
Sagt, macht Ihr Euch etwa lustig?
Lacht Ihr etwa über mich?
Ist schon klar: Ihr pfeift aufs Wetter.
Piepegal sind Schnee und Eis.
Ihr braucht keinen Kräuterretter,
seid gesund und naseweis.
Nein, aus mir spricht nicht der Neid,
denkt Ihr auch: Der kranke Blödel!
Während Ihr die Coolsten seid,
vergift ich schniefend Meisenknödel.
keine Frage:VOM ENTDECKEN
Wenn über mir im Wald die Vögel ärgerlich
zu schrein beginnen, schreck ich, such des Aufruhrs Grund.
Jedoch – so sehr ich suche, finde ich nichts, und
bemerk erst spät: Der Grund des Schreiens bin ja ich!
Vom Entdecken
Wenn über mir im Wald die Vögel ärgerlich
zu schrein beginnen, schreck ich, such des Aufruhrs Grund.
Jedoch – so sehr ich suche, finde ich nichts, und
bemerk erst spät: Der Grund des Schreiens bin ja ich?!
Der Zug endet hier
Als grad mein Zug anfährt mit Ruck und lautem Schrill,
am Sonntagnachmittag im Bordbistro, halb vier,
da setzt sich an den Tisch gleich gegenüber mir
die Schönheit in Person und lächelt sanft und still.
Mit einem Schlag stockt mir der Atem. Jetzt und hier
die Schönheit selbst! Welch Emotionen-Overkill:
Dieweil sie sich vom Kellner Suppe wünscht mit Dill,
wünsch ich mich voller Sehnsucht und Hormon zu ihr.
Jetzt oder nie! Ich sprech sie an! Nur Haaresbreite
trennt mich von Glück. „Äh, hallo …“ Doch wie eifersüchtig
naht da der Schaffner. Sie erstarrt und blickt zur Seite.
Gleich ist er schon bei uns, er kontrolliert sehr tüchtig.
Da springt sie auf, rafft ihre Jacke, sucht das Weite.
Nein, nicht doch! Bleib!! – Ich spür, wie ich ins Dunkle gleite …
Verzweifelt ess ich später ihre Suppe. Wahre Schönheit ist halt flüchtig.