Archiv der Kategorie: Geschrieben

Die Nachtigall. Nicht die Lerche!

Tunnel schwitzt uns aus den Alpen
Endlich raus aus Weh und Krach
Rotzt uns in das weite Tal
Fels steigt hoch und Wein wächst flach

Kinderberge vor Verona
Rund und niedrig, ziemlich mau
Mittendrin hält unser Zug
Bahnhof leer und Magen flau.

Alles voller junger Leute
Pfadfindergebrumm-Exzess
Werd des Wahnsinns fette Beute:
Hier fährt Orient-Express

Oh Verona oh Verona
Shakespeare-Märchen mit Balkon
Tourischleuder ohnegleichen
Norditaliens Lampignon

Oh Arena oh Arena
Mittendrin statt nur dabei
Arschloch dieser kleinen Stadt
Filmkulisse, einwandfrei

Wenn ich’s könnte

Ach Liebste, an dir wär soviel noch zu loben.
Dich gänzlich zu fassen find ich nicht den Kniff.
Von hinten bis vorne, von unten bis oben –
mir bleiben nur Worte, mir fehlt der Begriff.

Zum Beispiel: Die Drehung, wenn du deine Mähne
zurückwirfst und lächelst, und dann da dein Mund
der breit ist und schmal und voll zuckriger Zähne
und drinnen die Zunge, die samten ist, und

dann hier deine Arme, die klar mich umschlingen:
So gleichzeitig drängend und sanft ist Dein Griff.
Ach Liebste, könnt ich das nur halbwegs besingen –
denn wie ich’s auch schreibe: Stets fehlt da der Pfiff.

So ist mir, will ich dich bedichten, oft bange.
Ich komme an deinen Leib sprachlich nicht ran.
Zum Beispiel: dein Haar dort, das kurze und lange
das dunkle und leichte. Der Flaum auch, der dann

als Strich wie ein Urwald, als Strichlein wie Lunten,
und gegen den Strich als ein wiesiger Teppich,
sich fortschreibt am Körper von oben bis unten …
… Schau! Wieder nur Worte, die flackerhaft bunten!
Doch schrieb ich sie nicht – was wäre ein Depp ich.

Verwirrt

Als jahrelanger Konsument von Video- und Onlinefilmchen kenne ich mich in dem Bereich ja ganz gut aus – und das ist es doch kein Wunder, dass ich verwirrt bin: Im Unterschied zur medialen Vermittlung der vergangenen Wochen hatte ich bisher immer einen völlig anderen Eindruck von Schlecker-Frauen gehabt.

Hello Kitty

Wenn man als junger Mann eine Frau kennenlernt, die in einem Alter ist, in dem die eigene Mutter bereits alle drei Söhne in der Schule hatte, – und wenn diese Frau nach Wochen der Werbung endlich ihr Schlafzimmer öffnet und der Blick fällt nicht nur auf eine Freude versprechende veritable Bettstatt, sondern auch auf einen darauf liegenden Berg bonbonfarbener Stoff- und Plüschtiere – wenn einem so etwas widerfährt und die Frau dann sagt: „Gib mir Tiernamen!“ – also, dann muss man doch gar nicht lange überlegen.

Aus dem Kalender

Das Krächzen am Himmel wird lauter und leiser,
gemächlich zieht Kreise ein Schwarm dunkler Stare.
Gemahnen mich wohl an das Gute und Wahre.
Die krächzen sich sicher nicht sinnlos hier heiser.

Der Star hat als jährlicher Winterverreiser
ja vieles gesehen von der Welt. Ich erfahre
von ihm sicher Neues. Mit seiner Fanfare
erreicht er mein Herz und macht mich so gleich weiser:

Krächz krächz krächz!

Der Metzgermeister

Er war direkt aus der Wurstküche ins Büro der Metzgerei gekommen, hatte sich kreidebleich an den großen Tisch gesetzt und sehr leise und langsam gesprochen: „Hat mal jemand ein Pflaster?“ Dann war er der Länge nach auf die Eckbank gekippt und wir sahen, dass in der Spitze seines Gummistiefels ein Ausbeinmesser mittlerer Größe feststeckte. Der Chef und ich haben ihn sofort auf den Rücksitz des Mercedes gelegt und ins Krankenhaus gefahren, wo man ihn vom Messer befreite, seine Schnittwunde versorgte und sich auf die Suche nach dem abgetrennten linken kleinen Zeh machte. Der lag nicht im Auto, im Gummistiefel war er auch nicht auffindbar, und so hatte der Metzgermeister also von dem Tag an einen Zeh weniger. Als wir vom Krankenhaus zurück auf den Hof der Metzgerei fuhren, war die Wurst natürlich längst abverkauft.

Aut idem

Es stärkt die Lebenskraft und ist sehr nett,
hilft nebenbei die Seele weiten,
wenn ähnlich sich der Jahreszeiten
ein Wechsel einstellt auch im Bett.

Es schärft die Sinne, wenn man sich beizeiten
orientiert zum Neu-Duett.
Jedwede Dame scheint dafür adrett:
die doofen und auch die gescheiten.

Schnutzpiepegal! Man darf frohlocken.
Denn einer jeden sind so mannigfaltig tief
und allerschönst Genüsse zu entlocken.

Man lernt von einer das, und dies von jener.
Und überhaupt: wer viel mit vielen schlief
schläft auch viel tiefer und bleibt homogener.

Brave new world

Wenn Tasten klemmen und es streikt die gottverdammte Maus
Wenn sich das Scrollrad ums Verrecken nicht mehr dreht
Wenn du’s schon angeschaltet hast und wieder aus
Wenn trotzdem im Computer nichts mehr richtig geht

Wenn die beschissne Fehlermeldung dir die Sicht versperrt
Wenn dann der Cursor zuckt, als hätte er Tourette
Wenn streikend dich dein Textprogramm entehrt
Wenn du zum Rechner-Nichtsnutz regredierst, komplett

Wenn die gesamte Welt da draußen nicht erreichbar ist
Wenn da, wo Daten waren, nur noch eins ist: Quatsch
Wenn facebook nicht mehr weiß, wo du grad bist
Wenn du versinkst im arschgeweihten Rechner-Matsch

Wenn keine mail mehr ankommt und stattdessen nur noch Spam
Wenn Monitore sich ins blaue Nichts verlaufen
Wenn dir der Laptop stirbt mit sanftem leisen »Wham!«
Dann mußt Du Dir wohl einen neuen Rechner kaufen

Und sieh: Es wird gleich alles besser mit dem Neumodell
Und schau: Die Texte schreiben sich fast von allein
Und da: Es funzt gleich alles und geht superschnell
Und hier: Die Maus läuft prima … Hallo? Maus? He!! Maus!!! … Oh nein!