Ein dunkles, schweres Epitaph
raubt seit Tagen mir den Schlaf.
Im Grab darunter ist nichts drin.
Wo ist denn jetzt Opa hin?
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Simples Rezept
Was mich für dich einnimmt, sind die Worte:
»Morgen gibt es wieder lecker Torte!«
Loben will ich dich und tüchtig hudeln
für den Satz: »Schau, Schatz, ich mach dir Nudeln!«
Hör ich das und find sie nicht, gibts Tote:
»In der Tasche sind belegte Brote!«
Dieser Ruf muss mich nicht lange suchen:
»Hasi, willst du noch ein Stückchen Kuchen?«
Doch ich dreh mich um und geh für immer
wenn ich höre: »Kochen tu ich nimmer!«
Sexuell werd ich zum Sublimaten,
wenn du schwörst: »Ich mach nie wieder Braten.«
Greif sogar zum Messer, dem verhassten,
wenn du sprichst: »Du wolltest doch mal fasten.«
Und ich ziehe fort aus deinen Städten,
sagst du: »Lass uns endlich mal diäten!«
Drum, willst du mich halten – zu dem Zwecke
sag zu mir: »Ich deck Dir zwei Gedecke!«
Schnurren werd ich wie ein kleines Kätzchen,
wenn du säuselst: »Ich back noch mehr Plätzchen!«
Liege weiter bei Dir wie ein Hündchen,
hör ich: »Da passt doch noch mehr ins Mündchen!«
Tüchtig lieben will ich dich, statt hassen,
wenn du rufst: »Los! Kalorien prassen!«
Andersrum gesagt: Ich kann versprechen,
solang du kochst, werd ich nicht mit dir brechen.
Liebe muss in meinem Magen reifen –
ach, ich bin schon einfach zu begreifen!
Vom Abschied
Burgund trägt den ganzen Tag Trauer.
Die Rinder verfärben sich grau.
Der Wein wird ahoibrausesauer.
Die Herbstsonne scheint nur noch lau.
Den Gastgebern schwimmen die Augen.
Der Weinbauer rauft sich den Schopf.
Der Kir Royal will nicht mehr taugen.
Hotelpagen schütteln den Kopf.
Pinot-Reben werden Rosinen.
Die Berghänge legen sich hin.
Der Chardonnay schmeckt nur noch Bienen.
Der Senf macht jetzt nie wieder Sinn.
Franzosen sehn rauchend zu Boden.
Pastissegläser springen vom Tisch.
Cafés sind nur noch Episoden.
Das Licht ist jetzt unmalerisch.
Denn heute, Burgund, trotz Protesten,
fahrn wie wieder heim. Gleich um zehn.
Dein Osten, Dein Süden, Dein Westen
warn toll. Doch jetzt müssen wir gehn.
Das Auto hat Wind in den Haaren.
Sie links und ich rechts vornedrin.
Burgund, hör! Auch wenn wir jetzt fahren:
Hier kommen wir bald wieder hin.
Da lächeln ganz sanft alle Rinder.
Da richten die Reben sich auf.
Da wischen sich Mütter und Kinder
die Tränen fort und atmen auf.
Sie wissen, wir sind nicht verloren.
Sie wissen, wir kehren zurück.
Sie wissen, dass wir sie erkoren
zum großen Stück vom kleinen Glück.
An apple a day
So wie der Apfel, wenn er mal geschält,
schnell Scheisse aussieht, irgendwie nicht gut,
ist dies Gedicht. Weil es gar nichts erzählt
und also komplett epikfrei so tut
als seis eins, nur weil es sich hinten reimt
und Zeilen hat, die unternander stehn
und zueinander passen, mal besser und mal lustloser verleimt.
Es sagt sich ganz brav auf – und kann dann wieder gehn.
Street Photography 02
Da gibt es die einen:
Der Mann führt die Frau aus, die Frau ihre Brille.
Er bleibt zum Gespräch stehen, sie etwas dahinter
und bleckt ihre Zähne. Er ist es, der redet,
sie schweigt hinter Lächeln. Dann dreht er sich um
und nimmt sie brav mit.
Da gibt es die andern:
Sie gehn beieinander, verwoben die Händchen,
im schlendernden Schlappgang. Nicht er, sondern beide
schaun achtsam ein Haus an. Sie sehen nicht gleich aus,
das sieht ihnen ähnlich. Sie holen sich Kuchen
und gehn dann ums Eck.
Da gibt es die dritten:
Die sitzen alleine und schaun auf die andern
und sehen sich an.
Winterabend
Die Frau geht alleine vom Tanzfest nach Hause.
Der Mann schaut vom Fenster voll Sehnsucht ihr nach.
Das ging in die Hose. Die ganze große Sause
war das nicht geworden. Verlustreiche Schmach.
Die Frau geht im Schnee, schon ganz nass sind die Schuhe.
Ihr ist viel zu kalt. Besser als viel zu warm,
wie eben beim Tanz mit dem Mann. Sein Getue
das war ihr zu wild, zu stark fasste sein Arm.
Der Mann steht noch dort, die Musik spielt noch weiter.
Er grämt nicht mehr, seine Gedanken sind müd.
Das Fenster ist ihm wie ein Spiegel. Fast heiter
trinkt er noch ein Spätbier, bevor er verglüht.
Die Frau legt die Schlüssel auf ihre Kommode,
streift Jacke ab, Schuhe, den Abend und das
Geflirte des Tanzfests, die Mann-Episode.
Sie öffnet ihr Haarband, sie lächelt sich was.
Der Mann rollt die Ärmel vom Hemd wieder runter,
er greift sich sein Jackstück, nickt rum, und er geht
im Dunkel nach Hause, wird langsam ganz munter.
Die Sehnsucht verliert sich, vom Winter verweht.
Am Sonntag
Ein Gang auf der Chaussee
ein Morgen wie ein Jahr
ein Stündchen im Café
ein Herz voll Algebra
Ein Tässchen heißer Tee
ein Tag, noch völlig klar
ein Blättern im Essay
ein Märchen dick wie Haar
Ein wenig vorm PC
ein Rot wie Paprika
ein Blitz, eine Idee
ein Takt Eroica
Ein kühler Wind vom See
ein Abendrot beinah
ein Regenguss, herrje
ein Glanz und Gloria
Ein Blick ins Separee
ein Bett wie Afrika
ein Kuss noch für die Fee
ein Lidschlag, und ich sah
Angesichts aktueller Reisepläne
Iserlohn kenn ich schon.
Alles Schlamm dort in Hamm.
Breckerfeld? Nicht für Geld!
Keinen Trost spendet Soest.
Doch Dijon hat Saison, nichts ist schwer in Auxerre,
und Cluny langweilt nie – es geht rund im Burgund.
Da in Kiel geht nicht viel.
Ich krepier dort in Trier.
Wuppertal kann mich mal.
Es ist doof dort in Hof.
Doch Givry täuscht mich nie, nichts fällt schwer in Nevers,
Vézelay tut nicht weh – volles Pfund rockt Burgund
Dort in Graz: alles schwarz.
Laut geschrien wird in Wien.
In Davos ist nichts los.
Und nach Senf stinkts in Genf.
Doch Vitteaux hat Niveau, voll Magie: Clamecy.
Im Burgund schmeckt es – und: ganz Burgund: Erdbeermund.
In Paris ist es mies.
Niemals Tag wirds in Prag.
Mit ganz Split bin ich quitt.
Und der Strom fehlt in Rom.
Doch die Yonne: Mehr davon! Wunderbar: die Loire.
Auf der Saône: lacht die Sonn. Glückes Grund: das Burgund!
In Pjön-Jang ist mir bang.
Gar nicht froh: Tokyo.
Ganz New York schmeckt nach Kork.
Sündenpfuhl: Istanbul.
Doch Charolles ist voll toll! Bin ganz Ohr im Côte-d’Or,
im Chateau werd ich froh, und gesund im Burgund.
Auf ein Wort, Herr Sommer!
He! Hallo! Sommer! Sag dem Herbst,
er kann sich sein Erscheinen sparen.
Die Blätter kann er oben lassen dieses mal.
Ich glaubs ihm eh nicht. Und sein peinliches Gebaren,
die ganze Indian-Summer-Show, die ist doch an den Haaren
herbeigezogen. Mich kann er nicht ins Sehnsuchts-Bockshorn jagen.
Und wenn du schon dabei bist, Sommer:
Der Winter muss sich keine Mühe geben.
Ist mir egal, ob er es arktisch eisig macht,
ob er mich peitschend schneeberegnet. Kein Ergeben
kann er von mir erwarten dieses Jahr: Ich werde schweben,
warm und von mir selbst erhitzt seit Wochen, Monaten und Tagen.
Ach, und Kollege Frühling braucht
erst gar nicht zu aufzutauchen, dieser Clown.
Er kann sich seinen ganzen Scheiß schön sparen,
von wegen Knospen, Blüten, blaues Band. Der soll sich traun
von frischem Grün mir vorzuschwärmen, dieser Liebesfaun.
Vergebne Müh! Mich hats schon volles Rohr erwischt, ganz ohne Fragen.
Jetzt weißt Du’s, Sommer. Im Vertraun:
ich bin verliebt und werd es auch schön bleiben.
Ich brauche nicht den Herbst und nicht den Winter,
schon gar nicht diesen Frühling, um mich zu beweiben.
Das, was ich brauche, ist Dein schlichtes Sommer-Liebestreiben.
Denn was ich Mund auf Mund besitz, kann ich getrost nach Hause tragen.
Wenn ich erstmal erleuchtet bin
Es beugt sich aller Jünger Fuß
schon morgens mir zum Sonnengruß
und schafft mir Distinktionsgewinn,
wenn ich erstmal erleuchtet bin.
Bin ich erst Swami oder Meister,
gelingt mir alles. Und wie Kleister
kleben die Jünger dann an mir.
Und Jüngerinnen! Quel Plaisir!
Schon morgens wird recht viel gebetet,
danach ein Mandala geknetet.
Dann hört man mich mein Mantra summen,
bis alle Restsynapsen brummen.
Am Mittag kurz ein Geistweltschlaf,
später dann folgt nach Paragraph
drei/sieben vom Erleuchtgesetz
ein bissl Esokram-Geschwätz.
Dann schwebe ich, geh meditieren,
bin transzendent auf allen vieren,
und nachmittags um fünfe schon
hab ich dann frei. Als Mindestlohn
winkt mir Gesellschaft aller Damen
im Ashram – die mit Engelsnamen.
Nicht Dörte und nicht Jaqueline,
Jeanette nicht, nicht Caroline,
nein, um mich rum tragen die Damen
nur allerfeinste Seltsamnamen:
Sie heißen Sutra oder Kama
und sind mir süßes Liebes-Drama.
Auch finanziell: ganz ohne Sorgen
leb ich vom heut ins übermorgen.
Fast täglich mach ich oben drauf
in Genf ein neues Konto auf –
das alte ist schon wieder voll.
Denn das ist ja besonders toll:
Es schenken mir die Jünger das,
was ich so liebe: Geld en masse.
Wer trinkt schon Wasser, wenn er Wein
bekommen kann. Kein Schwein
versteht den ganzen Brahmaquatsch?
Ja und? Was solls? Kladderadatsch!
So toll ist mir das Meisterleben,
es kann kein bessres Leben geben.
Und alles hat dann endlich Sinn
– wenn ich erstmal erleuchtet bin.