Warten

Sanft und flach kommt sie daher:
Frühlingssonne ist ein Luder.
Blinzelnd schau ich nach dem Bruder
im urbanen Hin und Her.

Club-Musik tut fast kaum weh.
Lesend sitzen Damen hier.
Herren trinken warmes Bier.
Julius Meinl macht Kaffee.

Langer lahmer Nachmittag.
Wärme hüllt mir sanft die Stirn,
wie ein Seiden-Sarkophag.

Strahlend treibt der Sonnenzwirn
mir mit frühlingshaftem Schlag
drei, vier Knospen aus dem Hirn.

Glückstag

Plötzlich dann, wie ausgewechselt,
steht er glücklich rum im Leben.
Dabei hatte er doch eben
noch am Unglück rumgedrechselt.

Und jetzt dieses Wohlgeschick!
Plötzlich diese große Weite!
Grüßend tritt er an die Seite,
lächelnd grüßt die Welt zurück.

So geht’s also auch – bescheiden
denkt er: Dass ich das erlebe!
„Na, wie wär’s denn mit uns beiden?“,

spricht zu ihm das Weltgewebe.
„Gern!“ Und bis zum nächsten Leiden
hängt das Unglück in der Schwebe.

Wenn sich das WIR entscheidet

Es lebt das allerletzte WIR
ja als Savannen-Einzeltier
im letzten Zentrum der Moderne
bei Castrop-Rauxel neben Herne.

Das WIR ist eine bunte Mischung
aus Huhn und Reh. Und dank Verfischung
hat es ganz norddeutsch auch drei Flossen
und gibt sich gern mal weltverdrossen.

Es fremdelt und es einzelgeht,
weil’s niemand gibt, der es versteht.
So streift es tranig und allein
durchs Land, schaut nie bei Freunden rein,

trinkt nie in Wohnzimmern Kaffee,
und spricht nie Klartext. Tut’s auch weh:
Das WIR ist geistig ziemlich lau
und insgesamt ne dumme Sau.

Nur wenn es losgeht mit der Brunft
versucht’s das Dummtier mit Vernunft.
Entscheidet sich als Letztinstanzler
zur Paarungszeit: WIR werden Kanzler.

Jedoch, ihm fehlt der Gegenpart –
ist’s doch das letzte seiner Art.
Da weint das WIR, und schrecklich weh
tut’s auch der Tante SPD.

Da kann das WIR es lang versuchen.
So wird’s nichts. Leider. Pustekuchen.

FÜR EIN HIER NICHT ANWESENDES BILD

Das Türblatt ist kaum mehr als eine Raute
Ein doppelt Schloss schützt eisern jenen Bau
Des Nebels Dunst erreicht schon den Verhau
Im Bild hier herrscht rein menschenmäßig Flaute

Von irgendwo klingt leis verspielt „Miau“
Es rührt ans feierabendlich Vertraute
Zwei Bier, dann schießt die Einsamkeit ins Kraute
Der Tag rutscht ab, die Luft wird blass und lau

Wer kann, ergänzt es zum Sonett.

Das zugehörige Bild gibt’s hier.