Der Journalist schraubte den Graufilter vors Objektiv, zog ein letztes mal kurz an seinem viel zu weit abgerauchten Glimmstengel und startete den letzten Versuch, das alte 1976er Siegerehrungsbild im Bilderrahmen an der Wand zu fotografieren. Diesmal musste es klappen. Er hielt kurz den verraucht riechenden Atem an und konzentrierte sich. Aus irgendeinem Grund fiel ihm dabei seine Mutter ein. Egal. Auf dem Film gab es nur noch ein einziges unbelichtetes Negativ, seine letzte Möglichkeit. Sein Schnurrbart zuckte, während er noch einmal nachfokussierte … Klick! Scheisse, schon wieder verrissen, wieder nur dieser Blumenstrauß. 36mal das gleiche. Fuck! So konnte er seinem Chefredakteur nicht unter die Augen treten. Er drückte den Zigarettenstummel in den Aschenbecher. Und jetzt?
Frisch voran!
Tja.
Kuckuck, Sperber, Wonderbra,
alle sind schon wieder da
aus dem warmen Süden.
Flogen mit Tatütata
hurtig raus aus Afrika
ohne zu ermüden.
Stehen jetzt ein wenig krumm
nass im kalten Wind herum,
tropfen vom Gefieder.
Schreiben ins Diarium:
Früher Vogel: ganz schön dumm.
Kommt, wir fliegen wieder!
Kreisch!
Für ein hier nicht anwesendes Bild
Was machen Damen in der Stadt,
wenn der Herr zu knipsen hat?
Sie sitzen sinnend ihm Modell.
Und fährt die Bahn auch noch so schnell,
es bleibt noch Zeit – klingt’s auch banal –
für weise Blicke und ’nen Schal.
Was die Weltim Innersten zusammenhält
Fräulein!
Schöne große Frau mit straffem hellem Zopf,
gehst mir seit Sekunden nicht mehr aus dem Kopf.
Schwarz ist deine Bluse, schwarz ist deine Hos,
weich dein Gang und Wehen, und sicher auch dein Schoß.
Voll klingt deine Stimme, voll ist dein Tablett.
Schwebst durch das Café, bringst mir ein Omelette.
Rouge auf deiner Wange, Schlaf in deinem Blick.
Ich schau leicht verzweifelt lieber nicht zurück.
Denn du missverstehst mich, völlig und komplett.
Wollte Cappuccino, wollte kein Omelette.
Good to know
Roots
Großmutter war vor allem berühmt für eine Eigenschaft: Sie beherrschte eine Brotschneidetechnik, die jedermann den Atem stocken ließ. Meist stand sie dabei mitten in der Küche, klemmte sich das Brot zwischen ihre enorm großen schlesischen Brüste und schnitt freihändig gegen den Körper dicke Scheiben vom Brotlaib ab. Sie sah dabei nicht einmal hin und konnte nebenbei auch noch telefonieren oder mit gezielten, durch die Wohnung gebrüllten Hinweisen, meinem Großvater beim Kreuzworträtsel helfen. Natürlich hat sie dabei niemals an ihre Enkelkinder gedacht, die diesem Ereignis so häufig angstschlotternd und mit furchtsam aufgerissenen Augen beiwohnen mussten. Der
grausige Anblick des riesigen Messers und die Angst um Großmutters Brüste sind mir im Kindesalter dermaßen in die Glieder gefahren, dass ich heute noch froh bin, wenn die jeweils mir nahestehende Dame sich auskleidet und alle Brüste sind noch da, wo sie hingehören.