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Gespräche mit Gott 01

Gott spricht verschwörerisch und leise.
»Das Beste am HD-TV?
Erkläre ich Dir ganz genau!«
Er dreht die Augen wirr im Kreise,

sieht sich kurz um, und nuschelt rau
wie einer dieser weisen Greise:
»Das Fernseh zeigt als Gottbeweise
doch abends immer diese Frau …

Ich schuf HD, denn solcherweise
seh ich sehr scharf den Körperbau
der süssen großen blonden Meise:

Judith Rakers, Tagesschau –
ihr Anblick ist mir Götterspeise!«
Ich glaub es gern und denke: Wow!

Selbstanzeige

Schatz, die Beichte fällt mir schwer.
jahrelang hab ich gelogen.
Du, ich habe dich betrogen:
Ich hatte Kapitalverkehr!

Ich hab es mit der Schweiz getrieben,
ich steckte tief in Luxemburg.
Auch in Vaduzens Bankenburg
bin ich oft über Nacht geblieben.

Wenn du im Morgengrau noch gähntest,
bin zu den Caymans ich geschwommen.
Ich bin in Banktresorn gekommen,
wenn du mich auf der Arbeit wähntest.

Betrug dich steuerfrei in Laken
voll Aktien und Staatsoptionen.
Begehrte Steuerniedrigzonen
und schnackselte mit Schwarzgeldkraken.

Ich mopste mir die Birne weich
mit Zypern, und mit Panama.
Ich bin nicht stolz drauf, was geschah:
Ich tats sogar mit Österreich.

Glaub mir, es war nur Steuerflucht.
Mir dir hatte das nichts zu tun.
Es war wie ein Hormontaifun:
Es war die Fuck-your-money-Sucht.

Doch jetzt ist Schluss. Und völlig offen
leg ich dir meine Sünden dar.
Jetzt weißt du, wer ich wirklich war.
Sag, darf ich auf Vergebung hoffen?

Wenn ich dir dies Geständnis sage,
wirst du mir dann nochmal verzeihn?
Echt!? Wirklich? Du bist wieder mein?
Wie schön! Nur schnell noch eine Frage:

Sag, kannst du mir ’nen Fuffi leihn?

Dresden in zwei Sätzen

Einmal war ich mit einer früheren Freundin in dem mir unbekannten Dresden verabredet, und zwar exakt in der Mitte der Augustusbrücke, und da stand ich dann und wartete eine geschlagene Stunde, bis mich endlich das Handy erlöste, aus dem ihre leise Stimme klang mit der gehauchten Entschuldigung, sie als Ortskundige habe sich peinlicherweise mit den Brücken vertan und eigentlich die danebenliegende gemeint, wo sie jetzt auch schon eine Stunde lang auf mich warte, und ob ich sie vielleicht von der Augustusbrücke aus sehen könne, sie winke jetzt mal mit einer weißen Plastiktasche. Ich hab sie aber nicht gesehen, und dann sagte sie: Ich treff dich auf der anderen Seite, und hat aufgelegt und da wußte ich natürlich nicht auf welcher Seite denn nun, und dann hat das alles nicht geklappt und ich habe diese alte Freundin nie mehr wiedergesehen, weil sie hat das Handy in den Fluss geworfen oder eine neue Nummer oder was, jedenfalls ging da nichts mehr, aber vielleicht liest sie das ja hier, und für den Fall sag ich mal: Sonntag, meine Stadt, Bahnhofsbrücke, ok?

Warten

Sanft und flach kommt sie daher:
Frühlingssonne ist ein Luder.
Blinzelnd schau ich nach dem Bruder
im urbanen Hin und Her.

Club-Musik tut fast kaum weh.
Lesend sitzen Damen hier.
Herren trinken warmes Bier.
Julius Meinl macht Kaffee.

Langer lahmer Nachmittag.
Wärme hüllt mir sanft die Stirn,
wie ein Seiden-Sarkophag.

Strahlend treibt der Sonnenzwirn
mir mit frühlingshaftem Schlag
drei, vier Knospen aus dem Hirn.

Glückstag

Plötzlich dann, wie ausgewechselt,
steht er glücklich rum im Leben.
Dabei hatte er doch eben
noch am Unglück rumgedrechselt.

Und jetzt dieses Wohlgeschick!
Plötzlich diese große Weite!
Grüßend tritt er an die Seite,
lächelnd grüßt die Welt zurück.

So geht’s also auch – bescheiden
denkt er: Dass ich das erlebe!
„Na, wie wär’s denn mit uns beiden?“,

spricht zu ihm das Weltgewebe.
„Gern!“ Und bis zum nächsten Leiden
hängt das Unglück in der Schwebe.

Wenn sich das WIR entscheidet

Es lebt das allerletzte WIR
ja als Savannen-Einzeltier
im letzten Zentrum der Moderne
bei Castrop-Rauxel neben Herne.

Das WIR ist eine bunte Mischung
aus Huhn und Reh. Und dank Verfischung
hat es ganz norddeutsch auch drei Flossen
und gibt sich gern mal weltverdrossen.

Es fremdelt und es einzelgeht,
weil’s niemand gibt, der es versteht.
So streift es tranig und allein
durchs Land, schaut nie bei Freunden rein,

trinkt nie in Wohnzimmern Kaffee,
und spricht nie Klartext. Tut’s auch weh:
Das WIR ist geistig ziemlich lau
und insgesamt ne dumme Sau.

Nur wenn es losgeht mit der Brunft
versucht’s das Dummtier mit Vernunft.
Entscheidet sich als Letztinstanzler
zur Paarungszeit: WIR werden Kanzler.

Jedoch, ihm fehlt der Gegenpart –
ist’s doch das letzte seiner Art.
Da weint das WIR, und schrecklich weh
tut’s auch der Tante SPD.

Da kann das WIR es lang versuchen.
So wird’s nichts. Leider. Pustekuchen.

FÜR EIN HIER NICHT ANWESENDES BILD

Das Türblatt ist kaum mehr als eine Raute
Ein doppelt Schloss schützt eisern jenen Bau
Des Nebels Dunst erreicht schon den Verhau
Im Bild hier herrscht rein menschenmäßig Flaute

Von irgendwo klingt leis verspielt „Miau“
Es rührt ans feierabendlich Vertraute
Zwei Bier, dann schießt die Einsamkeit ins Kraute
Der Tag rutscht ab, die Luft wird blass und lau

Wer kann, ergänzt es zum Sonett.

Das zugehörige Bild gibt’s hier.