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Fast vergessen 02

KanidatInnen

Frohlocket! Mit dem ganzen langen Würgen
und Basis-Rumgequatsche ist nun Schluss:
Ganz vorn im Kli-Klawitter-Wahlkampfbus
sitzt Katrin jetzt, und neben ihr der Jürgen.

Die Kirchen läuten freudentaumelnd Glocken.
Die Schnauzbartträger stürzen zum Barbier.
Dank unsres Pfiffikus und unsrer Schönen hier
lässt Deutschland sich aus den Reserven locken.

Schon einstellt sich das Glück ganz von allein.
Schon jubeln alle Bürger ökumenisch.
Schon einübt unser Land das Glücklichsein.

Schon auflacht Hoffnung, körperlich wie seelisch:
Bald wird er Mao-Pfandminister sein,
und sie Abteilungsleiterin für Evangelisch.

Fast vergessen 01

Kandidatus

Wenn der Peer nen Vortrag hält
ist das nicht von dieser Welt.
Nordisch sexy, bleckend kühl,
redet er mit viel Gefühl
über alles, was er weiß,
rundherum im Jahreskreis.

In den Sälen dann und wann
hält die Welt den Atmen an.
Was der Peer aufs Podium leert
ist schon Zwanzigtausend wert:
Inflation und Deflation,
Steuern, Märkte, Sensation,

Schachrochaden, Fahrrad fahren,
Bankgeheimnis, Sack enthaaren,
Bänkern frischen Koks reinbringen,
Kanzlerin am Stück verschlingen,
Geldverschwindilassibuss,
Liechtenstein und Schweiz zum Schluss.

Stets ist Jubel zu vernehmen
nach den heißen Eisen-Themen,
die der große Kandidat
da so auf der Pfanne hat.
Lächelnd klatschen dann die Banker,
lächelnd zeigt sich Peer als Danker.

Und am Abend vorm Kamin
gibt er sich den Gönnern hin.
Denn in seinen Taschen lacht,
was den Peer sehr glücklich macht.
Hat er doch seit grade eben
wieder einmal nicht den Neben-

sondern seinen Haupt-Verdienst
hochgeschraubt, beinah alpinst.
SPD die Kante zeigen?
Beinfrei ihren Ruf vergeigen?
Wie wird man zum Millionär?
All das weiß der große Peer!

Uns erscheint es wie Gelaber,
was er macht. Er selber aber
weiß, es dient dem Zweck allein:
Bald schon wird er Kanzler sein.
Als Volkstribun, sehr wild und derbst,
von Ouagadougou, nächsten Herbst.

Für ein hier nicht anwesendes Bild

„Klare Sache,“ sagte der Chefinspektor und drückte die noch halb ungerauchte Zigarette mit dem linken seiner durchgetretenen Kamelhaarhalbschuhe auf dem morgenfeuchten Asphaltboden der noch schlafenden Stadt aus, „der/die Täter/in hatte es eindeutig auf den/die Person/in auf dem Rücksitz abgesehen.“ Er trat an den schlecht gewarteten Panda heran und zog etwas meeresgrünen Rotz in seiner Nase hoch. „Hrrrccchhhhhh! … Hier: Nur vier Einschüsse vorn, relativ schlecht platziert. Muss nen mörder Rückstoß gehabt haben, die Wumme.“ Seine Assistentin sah ihn verwundert und auch ein wenig verliebt an. Wie dieser Mann das bloß immer machte. Jetzt galt es, ihn bei Laune zu halten und sie schüttelte rasch einen weiteren Menthol-Glimmstengel für ihn aus dem Ärmel.

Das Bild gibt’s hier.

Der grosse Kampf

Mittlerweile Runde sieben.
Jim kriegt mächtig auf die Fresse.
Eisen-Joe liest ihm die Messe.
Ach, wär er doch zuhaus geblieben.

Harte Haken, schwere Schwinger,
rechts und links fängt JIM sie ein.
Seine Chancen – ziemlich klein,
seine Abwehr – nicht der Bringer.

Eisen-Joe, der Satansbraten,
fightet heut besonders schlimm.
Wieso aber kämpft denn Jim?
Wie war er hier reingeraten?

FRÄULEIN BARONESS ist schuldig.
Sie zu lieben war Jims Ziel.
Doch verlangte sie recht viel:
»Boxen!«, sprach sie ungeduldig.

Also lässt sich Jim zerlegen.
Und sieh da: In erster Reihe
sitzt das Fräulein B.! Zwei Schreie
schrie sie bei den letzten Schlägen.

Das gibt Jim die Kraft zur Wende!
Fräuleins Anblick macht ihn stark.
Zwar sind seine Muskeln Quark
und puddingweich die Boxerhände,

doch ihr Lächeln ist der Bringer!
Fräulein B.! Bald ist sie sein –
Krach! Da bricht Jims Nasebein:
Eisen-Joe gibt ihm zwei Dinger.

Unaufmerksamkeit birgt Schmerzen.
Schmerzen bergen Energie:
Angezählt und wild wie nie
landet Jim aus vollem Herzen

einen Treffer mit viel Grimm.
Joe fliegt förmlich aus der Hose.
Glaskinnbruch die Diagnose.
Aus, K.o. und Sieg für Jim!

Vor der Presse macht er Witze.
Lachend spricht er: »Joe besiegen?
Nein – ich wollt das Fräulein kriegen!«
Es blitzen noch 12 Fotoblitze,

die Wochenschau hat ihn im Kasten.
Dann gehts hinaus, und das sehr schnell.
Jim führt das Fräulein ins Hotel.
Dort schimmern Laken sanft damasten.

Aufregung in der Serenissima

Zum Karneval alljährlich in Venedig
reist FRÄULEIN BARONESS an den Canal.
Sie macht sich kostümiert ganz epochal
mit ihrer Entourage des Alltags ledig.

So fröhlich neigt sie beinah doch zum Weinen.
In diesem Jahr muss sie die Frage quälen:
Was wird bloß JIM für eine Maske wählen?
Und wird er diesmal überhaupt erscheinen?

Sie schaut mit Schluchz und suchend vom Balkon.
Dahinten, dieser kleine Gondoliere –
war das wohl Jim? Nein, denn er gondelt ja davon.

Wenn er heut fehlen würde, wäre das Premiere.
Wer spielte dann zum Tanz Bandoneon?
Da! Von San Giorgio schwebt die Montgolfière …

Übergang

Es holt der Sommer sich Absolution.
Einmal noch zeigt er, was er kann. Im Streite
will er nicht von uns gehn. Um Haaresbreite
glaubt man an seine Reinkarnation:

Die Wolken treten einmal noch zur Seite.
Zwei, drei, vier Strahlen. Warmer hoher Ton.
Ein letztes Lächeln. Ein „Ich komm ja schon!“.
Dann ist er fort. Der Sommer sucht das Weite.

Jetzt also Übergang. Nicht Fleisch, nicht Fisch.
Man sagt, dies sei die Zeit nun für Gedanken.
Ich denk: So wie paar Herren prahlerisch

in Tshirts draußen Sonnenreste tanken,
sorgt im Café für bald manch leeren Tisch,
dank erster Kühle, fröstelndes Erkranken.