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Bei Melancholie 3 x täglich

Vom Schweren nur das Leichtere
Vom Wenigen das Vielzuviele
Vom Tiefen nur das Seichtere
Vom Siedendheißen nur das Kühle

Vom Stumpfen nur das Strahlende
Vom Angezogenen das Nackte
Vom Schlaffen das sich Aalende
Vom Kinderleichten das Vertrackte

Vom Schönen nur das kratzig Raue
Von den Türmen nur den Eiffel
Vom Dunkel nur das Dunkelblaue
Von Gewissheit nur den Zweifel

Von den Plätzen die verbauten
Von den Speisen nur das Mus
Von den Witzen die versauten
Von den Vögeln die zu Fuß

Und vom Dichten nur das Lichte
Und vom Frieden nur den Krieg
Und von Brecht nur die Gedichte
Und von Gott nur Bachs Musik

Vaters Rat

Muss man seinen Frieden machen,
mit sich selbst und alle den Sachen
die einem so ähnlich sehn?
Muss man mit dem Mainstream gehn?

Ja, es nutzt ja nichts: Man muss
mitgehn bis zum bittren Schluss.
Etwas bessres als den Tod
gibt es nur zum Abendbrot.

Kann man denn nicht anders bleiben?
Revolutionäres schreiben?
Irgendwie sein eignes Ding
durchziehn – als ein Dichterling?

Nein, das kann man eben nicht.
Nicht als kleines Arschgesicht.
Denn, das sag ich Dir mein Sohn,
Mittelmaß ist Gotteslohn.

Wirklich? Hätt ich nicht gedacht.
Klappe! Jetzt wird mitgemacht!
Dacht’, dass ich besonders wär’
Ist denn wirklich das so schwer:

Bist schon deiner Herkunft wegen
allem Größren unterlegen.
Tu schön wie Dein alter Vater:
Werd auch du ein Bankberater.

Des Schatzes Rückkehr

Im Intercity Leverkusen-Genf
sitzt in Verkleidung JIM mit scharfem Plan.
Die Goldreserven fahren mit der Bahn,
getarnt als hundertzwanzig Tonnen Senf.

Mit Chloroform schickt Jim die zwölf Bewacher
in tiefen Schlaf, die kurze Zeit muss reichen.
Das FRÄULEIN B. stellt unterdess die Weichen,
nach raschem Stellwerk-und-Pistolen-Schacher.

Bei Worms lenkt man die schweren Wagen in den Rhein.
In nicht mal drei Sekunden sinkt das goldne Glück,
die Geiseln durfte kurz zuvor das SEK befrein.

Walkürenhaft wie noch im schönsten Wagnerstück
erstrahlt das Fräulein auf der Flucht im güldnen Schein:
Zwei schöne Barren hielt der Jim privat zurück.

GESPRÄCHE MIT GOTT 02

Es lief für Gott, das darf man ruhig auch mal sagen,
in den vergangnen Wochen echt beschissen.
Die Frau ist fort, die Arbeit hingeschmissen.
Jetzt hockt er da im Wirtshaus rum an kalten Tagen.

Ich setz mich manchmal zu ihm, wenn er abgerissen
volltrunken räsoniert mit liederlichen Klagen.
Erst gestern hört ich schweigend zu und ohne Fragen,
dieweil er seinen Schmerz verschlang in kleinen Bissen:

»Ist doch kein Wunder! Wenn ich da vor Wut fast überkoche!
Gleich morgen! Hau ich alles unterm Himmelszelt!
In Klump und Asche! Ehrlich! Und schon nächste Woche

schaff ich mir einfach eine völlig neue Welt!
Ha! Sollt schon sehn! Das wird ne göttliche Epoche!«
Ja klar, hab ich gedacht und uns noch Schnaps bestellt.

Karaoke Mallorca Hits Vol. 5Track 3 – Lyrics

(Intro)
Die Stimmung sinkt zum Nullpunkt?
Das darf ja wohl nicht sein!
Der Party geht die Luft aus?
Lad’ uns doch einfach ein!
*
Wir sind die Philosophen
und bringen Spaß en masse!
Wir können nicht nur quasseln,
nein, wir vertragen was!

(Strophe)
Denn Sophokles ist Schluckspecht,
Heidegger kippt gern Schnaps.
Horkheimer steht auf Wodka,
Freud säuft viel – wie sein Paps.
*
Auf Trester steht Spinoza,
Tequilla liebt Herr Kant.
Sokrates preist das Saufen,
Platon hat das erkannt.

(Refrain)
Die Welt ist alles, was der
Fall ist. Ist das nicht toll?
Jetzt lasst uns einen heben,
heut saufen wir uns voll.
*
Wir sind die Party-Luder
mit viel Verstand und Grips.
Wir nähern unerschrocken
uns Welt und Geist und Schwips.

(Strophe)
Fritz Engels nippt am Bayleys,
den Whisky zischt Karl Marx.
Champagner nur trinkt Nietzsche:
„Ich Übermensch vertrag’s!“
*
Adorno ordert Weizen,
Schnaps gibt’s für Wittgenstein.
Pastisse für Monsieur Sarte,
Foucault kriegt schweren Wein.

(Refrain und Schluss)
Wir sind für jede Feier
ein festes Fundament.
Wir rocken und wir rollen
bis hier die Hütte brennt:
*
Der Ausgang aus der selbstver-
schuldeten Unmündig-
keit ist ein Partykracher
für sie und ihn und dich.

The real Helden

Superman kann sie nicht stoppen,
wenn die Jungs dem Ball nachfegen.
Jesus kann gehackt sich legen.
Batman würden sie verkloppen.

Champions League ist nichts für Hulk.
Wenn die Teams ihr Spiel entfachen,
kämpfend ineinanderkrachen,
bleibt von ihm bloß grüner Kalk.

Auch die X-Men sind nur Rost,
wenn sie, statt in Heldentaten,
in dies Endspiel reingeraten.
Wondergirl wird zu Kompost.

Sogar Spidy ists zuviel.
Nichts, was er zu bieten hätte
gegen diese Viererkette,
falsche Neun und Kurzspassspiel.

Dies sind jetzt die wahren Helden:
Dortmund – so sehn Winner aus!
Bayern – alle andern raus!
Niemand sonst hat was zu melden.

Champions League, du Todgeküsste!
Unsre jungen wackren Recken
sind Europas Fußball-Schrecken.
Lauter deutsche Heldenbrüste!

Ach, wenn das doch der Führer wüßte.

Nachträglich zum Geburtstag(5. Mai)

Ganz und gar im Kierkegaardschen Sinne
denk ich manchmal, dass ich ziemlich spinne.
Denn sein Dreisatz für die Menschen-Werdung
findet bei mir einfach keine Erdung.

a) Ich bin von Haus aus nicht ästhetisch.
b) Ich lebe nicht korrekt und ethisch.
c) Ich bin schon gar nicht religiös.
Eher aufgeregt libidinös.

So. Was sagt dazu jetzt unser Søren?
Dies: Das täte ihn nicht weiter stören!
Na, dann nichts für ungut, alter Däne.
Dachte nur, dass ich’s mal kurz erwähne.

Warnung vor der Stadt der Lesung

Deine Aussichten sind finster.
Dichter, sei bloß auf der Hut!
Goethe schlief zwar mal in Münster,
doch er schlief nicht wirklich gut.

Schlief nicht in Westfalens Frieden.
Wälzte schwer sich durch die Nacht.
Hat die Stadt danach gemieden.
Dichter, hast Du das bedacht?

Münster wird zu Recht verdächtigt.
Dichter, Du, vergesse nicht:
Nachdem Herr Goethe hier genächtigt,
gelang ihm jahrlang kein Poem.

Seit neulich

Seit neulich bin ich ungeküsst.
Das tut ganz seltsam weh.
Als Mensch-Faksimile
häng ich im Weltenbaugerüst.

Mir fehlt – ach, wenn ich das nur wüsst!
Was ist es denn? Herrjeh!
Was mangelt mir? Kaffee?
Das süße Körper-Geist-Gelüst?

Mir fehlt kein zweisam Welterklärn.
Mir fehlt kein Du-sei-mein.
Mir fehlt kein liebes Herzbeschwern.

Mir fehlt nicht Seelenpein.
Es fehlt, ich kann mich nicht erwehrn,
dies süße Küssen ganz allein.