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Für ein hier nicht anwesendes Bild

Sibylles Traum
Wo gelbe Busse nach dem Überfall versteckt verschnaufen
und sich aus Angst vor der Polente staub’ges Haupthaar raufen;
Wo, abgestellt von miesen und sinistren Kerlen,
sich Wägen reihen wie sonst nur an dünnen Schnüren Perlen;
Wo sich die Sonne unerkannt inmitten hellster Tarnung
nur vorsichtig hineintraut, wegen Schlimmheits-Warnung;
Wo zwischen Häusern grad noch Platz für einen Baum war
– da suchte sie ihr Glück mit dem Frisurenladen „Traumhaar“

(das zugehörige Bild findet man hier)

Einer dieser Tage

Der Kopf zu klein. Das Hemd zu groß.
Das Bein zu lang. Zu dick der Bauch.
Die Haut zu dünn. Die Nerven auch.
Mir passt heut nichts. Was mach ich bloß?

Die Luft zu nass. Der Kuss zu fein.
Die Wurst zu weich. Das Brot zu rau.
Das Rot zu gelb. Zu grün das Blau.
Das kann doch so nicht richtig sein?

Die Lieb zu nah. Das Glück zu fern.
Das Bett zu warm. Der Schnaps zu kalt.
Die Katz zu jung. Die Frau zu alt.
Hat mich die Welt denn heut nicht gern?

Das Licht zu hell. Zu leis der Krach.
Der Arm zu kurz. Das Haupt zu kahl.
Der Weg zu grad. Zu tief das Tal.
Ist es zu stark? Bin ich zu schwach?

Das Hemd zu klein. Der Kopf zu groß.
Der Tag durchwacht. Die Nacht verpennt.
Ich bin doch sonst indifferent –
was ist denn heut bloß mit mir los?

Erwachsenwerden

Habe jahrelang gelitten
Habe mich zum Horst gemacht
Habe mich für nix zerstritten
Nächte tief im Forst verbracht

Bin verzweifelt an den Welten
War nah dran, mich zu entleiben
Weinte unter Himmelszelten
Ließ sogar das Trinken bleiben

Ließ mir Sehnsucht tätowieren
Malte mir die Haare bunt
Trauerte auf allen Vieren
Kam so auf den letzten Hund

Wurde ausgelacht, verkannt
Ward bespuckt und übersehn
Bin vor jede Wand gerannt
Ließ mich gehn und ließ mich stehn

Doch von heute an, ich schwöre
Wird das anders, juppheidu
Weiß jetzt, wo ich hingehöre
Bin jetzt in der CDU

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Abschließendes zum Thema
für Else Lasker-Schüler

Indigo steht schon der Himmel
über stolzem Kirchenpimmel,
mahnend wächst ein Blümelein
scharf ins hohe Bild hinein,

auch das Licht steht schon leicht flach,
überhaupt: Fast Weltenkrach!,
als der Schönste seiner Zunft
die Laterne der Vernunft

schwenkt und hell erleuchtend hält,
und also der ganzen Welt
zeigt, wie’s ist – ich ahnt es wohl –:
Engel sind von hinten hohl.

(das zugehörige Bild findet man hier)

Vom Schaum der Tage

Große Klasse, ohne Frage:
Frieden auf dem grünen Rasen
bringt mit dicken, dichten Blasen
uns der schönste Schaum der Tage.

Ach, wie lobe ich mir diesen!
Direkt von des Schiris Hose
sprotzt er munter aus der Dose
auf bespuckte Stadionwiesen,

klärt umkämpfteste Distanzen
und gebietet ohne Wanken.
Drum, im Großen und im Ganzen

müssen wir dem Schaume danken:
Dass die Mauern nicht so tanzen,
dass die Jungs nicht so viel zanken.

Wochenende

Zärtlich flirrt der Amsel Kecken
Sonne streicht durch hohes Grün
Lasse die Gedanken zieh’n
Welt ist allerschönster Flecken
– scheppernd schmettert grell ein Becken.

Dunkles ist nun wieder hell
Hier auf frischgestrich’ner Wiese
Unter milchigblauer Brise
Ist nichts wichtig, nichts ist schnell
– Piccolo fiept zahnschmerzgrell

Menschheits allerbeste Laune
Trägt mich gottlos leicht und klar
Weit in schönstes Trallala
Fern des Lebens Grundgeraune
– mürrisch muht eine Posaune

Sommerwarmer Lustrabauke
Schnurre ich in Tempratur
Löse meiner Fesseln Schnur
Weiß mich eins mit Lurch und Rauke
– stampfend pumpert eine Pauke

Tief entspannte Menschpastete
Lasse ich das Sorgen sein
Hüll’ mich sanft und samten ein
In die Sommertagstapete.
– hustend blecht da die Trompete

Gänzlich weich wird mein Profil
Ich verlier’ Kontur und Halt
Werde eins mit Welt und Wald
Wünsche nichts und will nicht viel
– klirrend klimpert Glockenspiel

Sinnend schau ich die Palette
Aller Grüns in Baum und Busch
Pfeife auf des Lebens Pfusch
Les’ Naturens Lustsonette
– knarzend kracht die Klarinette

Prall ist mein Gefühlskarton
Leichtes Sommerdieb-Gepäck
Madengleich ruh’ ich im Speck
Lutsch’ des Lebens Lutschbonbon
– Trommel rührt im Krachbeton

Es ist Schützenfest-Saison.

Für ein hier nicht anwesendes Bild

Fühlst du klein dich wie ein Zwerg,
hat das Leben dich geschafft,
hast du wieder nichts gerafft –
hilft dir nicht das Heizkraftwerk,

hilft dir nicht die Standlaterne,
hilft dir nicht das Ofenrohr,
hilft dir nicht der Autochor,
hilft dir nicht die Postmoderne.

Suchst Du Hilfe dieser Tage,
zu erleichtern dein Beschwer:
Rettung bringt, gar keine Frage,
die Berliner Feuerwehr.

(das zugehörige Bild findet man hier)

Strand. Damals. Auto.

Was ist denn das da oben? Sterne?
Was zuckt denn da am Himmel? Blitze?
Wer steht denn dort am Waldrand? Kitze?
Wo schaust du wieder hin jetzt? Ferne?

Was riecht denn hier so gut? Lakritze?
Wo kommst du nochmal her? Aus Herne?
Wie tust du es am liebsten? Gerne?
Was magst du mehr als Vögeln? Witze?

Nun mach dich doch mal locker! Bitte!
Jetzt lass das doch mal bleiben! Ruhe!
Ich hör das doch ganz deutlich! Schritte!

Was hab ich da im Rücken? Schuhe!
Was ist denn da so klebrig? Quitte!
Was das hier alles soll? Getue!

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Knotenpunkt

Die Straße glänzt wie grade erst befeuchtet
Fahrräder stehn für Kaffee an
Vom Lautsprech singt der Muselmann
Der Kirchturm ist erfrischend ausgeleuchtet

Die Autos spritzen fort zu beiden Seiten
Die Menschen gehen in die Knie
Soviel Bereitschaft war noch nie
Dem Fotograf Motive zu bereiten

Und doch: Dem Irrsin fehlen hier die Maße
Er will auf kein Detail verzichten
Schon gar nicht auf die Bettgeschichten
Hier in der Sensationenlindwurmstraße

(das zugehörige Bild findet man hier)