Archiv der Kategorie: Geschrieben

Zu zweit zu sprechen

»Komm! Lassen wir die Welt zurück.
Schau, draussen lauert Regen.
Die Welt erwischt von uns kein Stück,
Wenn wir uns nicht bewegen.«

»Quatsch! Wir bewegen unter Decken
uns wie wir wolln. Egal!
Wir wollen, was wir sind, vollstrecken.
Die Welt dort kann uns mal.«

»Okay! Dann rutsch mal rüber, Schatz.
Wir tun, was wir gern tun.
Die Welt verschwindet dann ratzfatz
mitsamt Mensch und Monsun.«

»Komm her! Mach Platz für Dich und mich.«
»Was haben wir denn da?«
»He! Das ist aber anhänglich.«
»Wie schön! Jetzt du. Hier. Ja!«

»Oh! O lala. Mon dieu, wie weich …«
»Nein! Doch!« »Ah! Ja, genau.«
»Und jetzt …« »Was? Hoppla! Mmmmmh.« »Jetzt!« »Gleich …«
»Ich …« »Du …« »Wir …« »Und … « »!?« »… wow!«

… Musik …

»Schau! Draußen … ist die Welt noch da?«
»Von Regen keine Spur.
Was vorhin noch ganz düster war,
erstrahlt jetzt knallazur.«

Das also

Das also sind die Touristen. Fallen herunter vom Traumschiff.
Landen direkt voller Neugier auf garnichts inmitten der Stadt.

Russen und Amerikaner, Halbitaliener, Chinesen,
Kommen von überall her, fahren auch überall hin.

Taubengesichtige Eltern, Kinder mit Haaren wie Hühner.
Mädchen aus sehr gutem Hause und Jungen, quaterbackdick.

Gelangweilte Töchter und offen das Brusthaar herzeigende Väter,
wandern sie, muntere Meute, desintressiert im Gespräch.

Knipsen sich selbst und die andern, blitzen das Elend ins Lichte.
Lassen sich leise einflüstern von dem elektrischen guide.

Doofkurze Hosen voll Karos, weißeste Beinchen darinnen.
Sorgsam mit Socken bedeckt. Helles Sandalengeläuf.

Stehen sie bald bei San Marco, später dann auf der Rialto.
Wissen nicht wie und warum. Wissen nicht, was sie da solln.

Plätze sind Plätze und Kirchen sind Kirchen und alle so alt.
Ganz schönes Hausdurcheinander. Nirgends siehts ordentlich aus.

Flipflopstakkato, ein Watscheln. Breitfüssig geht es voran.
Nagellackfeuerwerk und katastrophales Gezeh.

Ach, wie schön ist das hier alles. Jetzt will ich aber zurück.
Rüber aufs Schiff und was essen. Das also sind die Touristen.

Er schwankt.

Es ist sein Schrein. Sein Heiligtum. Aufgebaut und angebetet nur von ihm allein.

Er tänzelt vor dem Schrein, verlagert sein Gewicht von einer Seite auf die andere. Er schwankt.

Er hält die Hände ruhig in den Taschen seiner Hose. Vorhin noch, in einer anderen Phase der Anbetung, wischte er sich immer wieder durchs Gesicht, strich seine Lippen mit den Fingern ab, rhythmisch, einer unbekannten Regel gehorchend.

Ist das da ein Koffer für eine Querflöte? Ja klar. Der liegt als Basis auf einer blaßgrünen Kunststoffmappe. Darüber eine braune Stola, schmal doppeltgefaltet, darauf wiederum ein blaßgrünes Stück Stoff. In dessen Mitte auf der Spitze der Pyramide ein grauer flacher Stein neben einer penibel nach irgendwohin ausgerichteten Stimmgabel. Vom grünen Stoff reicht eine dünne Kette auf die braune Stola hinunter: messingfarben, mit einem ebensolchen Kreuz daran.

Er fixiert. Anwesend, abwesend. Schwankt leicht vor und zurück.

Fixiert durch seine Brille, rückt sie zurecht.

Streicht über seine Lippen, schnell und entschlossen, tausenmal geübt.

Zieht NaseMundAugenbrauen zusammen.

Ein erprobtes Ritual. Er konzentriert sich, entspannt sich.

Ein langes Gebet.

Im Mövenpick inmitten all der Ungläubigen.

Morgens früh

Wenn morgens früh die Sonne aufgeht hinter den Burlesken,
wenns langsam Tag wird drüben am Sonettestrand,
dann schreibt der Eine schon an neuen Humoresken
ein Anderer jagt Dosenpfand.

Wenn abends buntes Licht angeht im Viertel Scherz&Juxerei,
wenn wohlgefüllte Varietés sich brüllend überbieten,
dann zieht der Eine Siegerlose aus dem Nichts herbei,
ein Anderer zieht Nieten.

Der Eine trägt als Siegeszeichen sein Papier mit Worten
zu Markte und erschaudert furchtbar angesichts
des Marktwerts. Dieweil ein Andrer sich durch Abfall allerorten
schnorrt, als Taugenichts.

Der Eine hat Papier, das niemand kauft, der ihn nicht kennt.
Ein Andrer lächelt zahnlos und mit Schulterzucken angesichts
seiner zwei Dosen. Er zumindest hat jetzt vierzig Cent,
der Eine Nichts.

Am Abend

Es geht vor der Heia und nach dem Gebet
noch einmal ins Wortwerk, zu sehn, was da geht.

Vor seeligem Schlummer, mit schläfriger Hand,
sortier ich nochmal: was war gut, amüsant?

Der Tag ist am Abend vertändelt, vertan.
Und doch – ich setze den Stift nochmal an:

Wenn alles getan ist, gespült und gewischt,
dann schreib ich mir abends ein letztes Gedischt.

Erster holpriger Versuch über Pläne der näheren Zukunft

Was kann man in Venedig dichten?
Den Reim vom Dogen, der viel trinkt.
Die Verse einer Stadt, die sinkt.
Das Lied vom Gondolier, der hinkt.
Das kann man in Venedig dichten!

Was soll man in Venedig dichten?
Tiraden auf das Aqua Alta.
Loblieder auf Palastgestalter,
und immer auch auf Onkel Walter.
Das soll man in Venedig dichten!

Was muss man in Venedig dichten?
Ein klein Libretto von San Marco.
Ein großes vom Hotel Ca Arco.
Und eins vom Flitterwochen-Quarko.
Das muss man in Venedig dichten!

Was soll man in hier jedoch beschweigen?
Lagunenwasser, hypertroph.
Die Kargheit in des Dogen Hof.
Die Kreuzfahrt-Touri-Katastroph.
Das soll man hier jedoch beschweigen!