Archiv der Kategorie: Gelesen

Rätsel

Aber Rätsel gibt es nicht. Es gibt nur Verrätselungen – entweder künstliche, wenn wir etwas so beschreiben oder zeichnen, dass jemand anderes ins Grübeln gerät, oder reflexhafte, wenn unsere Routinen oder Theorien so sehr mit der Wirklichkeit kollidieren, dass wir das nicht ignorieren können: Wenn wir dann nicht in diesem Umstand das Problem erkennen, sondern es in die Welt projizieren, schaut sie rätselhaft zurück.

Jan Philipp Reemtsma, Vertrauen und Gewalt,
Pantheon 2009

Vom Schauen

Ein simpler Trick von Hobbyastronomen: Wenn Sie Schwierigkeiten haben, etwas richtig zu sehen, schauen Sie knapp daran vorbei. Die lichtempfindlichsten Teile unserer Augen (die wir zum Sehen schemenhafter Gegenstände brauchen) befinden sich am Rande des Bereichs, den wir normalerweise zum Scharfsehen benutzen.

Jonathan Safran Foer, Tiere essen
Kiepenheuer & Witsch, 2010

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Alle Menschen wollen immer noch einmal das Meer sehen und wenn sie dann am Meer ankommen, gucken sie doch nur traurig. Das Meer ist da, wo die Krabben wohnen und wo die bei der Suche nach dem letzten besten Satz verstummten Menschen sitzen.

Vielleicht fahren Menschen an das Meer in Filmen, Träumen und der Wirklichkeit, weil dort der Horizont weiter ist als sonst irgendwo, weil man nichts absehen kann und also hoffen, ob nicht vielleicht doch noch etwas Gutes vor einem liegt. Weil man am Meer sitzen und sehen kann und nichts tun als warten und sich dennoch etwas bewegt. Wenn Wellen wüßten, dass sie Tränen machen können, dass sie auf Abschiedsbildern sind, mit Musik unterlegt werden, dass sie dabei sind, wenn etwas unumstößlich zuende geht, wenn Wellen das wüßten und sich entscheiden könnten, vielleicht wäre alltäglich mit Stürmen zu rechnen.

Annika Scheffel, Ben, kookbooks 2010